Die Quarantäne (1/3) - 80 Quadratmeter Bangkok - Tag 0 bis 4
Tag 0
Die Fahrt durch Bangkok fühlt sich irgendwie anders an. Bangkok fühlt sich irgendwie anders an. Klar, wir geraten wieder in einen oder zwei der üblichen Mikrostaus, aber die Straßen erscheinen leerer als sonst, viel leerer. Aber das ist es nicht. Bei der halbstündigen Fahrt durch die Metropole grüble ich lang, bis ich es weiß: Bangkok ist dunkler, viel dunkler. In vielen der Hochhäuser sind gerade mal ein, zwei Quadrate oder Balken erleuchtet. Wie Tetris im Anfängerlevel. Leere Hotelzimmer brauchen keine Festbeleuchtung. Auch die sonst allgegenwärtige Leuchtreklame ist zwar da, sie scheint sich aber gerade zu erholen, teils gar im Standby-Modus zu sein. Man kann sogar die Sterne sehen. Dafür keine Flugzeuge. Dies ist inmitten dieser Metropole sonst äußerst selten der Fall.
Beim Aussteigen vor unserer neuen Bleibe für die nächsten Wochen, dem Amanta Hotel & Residence Sathorn, fällt mir noch etwas Entscheidendes auf. Bangkok sieht nicht nur anders aus, es riecht auch anders. Fast schon wie Dschungelbrise, aber sicher nicht wie sonst nach abgasverpesteter Großstadtluft.
Nach kurzem Einchecken dürfen wir auf unser Zimmer, was heißt Zimmer, Wohnung. Nachdem lange nicht klar war, ob wir die Quarantäne überhaupt zusammen verbringen dürfen, hatte sich die Schule richtig hineingekniet und uns den One Bedroom Executive gebucht. 80 Quadratmeter, getrennte Wohn- und Schlafbereiche, Küche, 2 (!) 50-Zoll-Fernseher. Wenn schon Quarantäne, dann mit Stil.
Auf dem Flur werden spätabends noch Temperatur und Blutdruck gemessen. Dann wurde sich auf die Tüten mit dem Abendessen gestürzt. Es gab - tada - für jeden zwei Instantsuppen. Das kann ja heiter werden, wenn der Standard so bleibt, dachten wir uns. Wie weit wir mit dieser Denke daneben lagen, sollten wir bald merken. Nachdem die Espressomaschine aufgestellt und die Firesticks angeschlossen (Prioritäten setzen!) waren, ging es schlafen. Noch kurz zehn Minuten Netflix und Gute Nacht.
Tag 1
Gegen 6 ziehe ich mir die erste Tasse Espresso aus der Maschine und entdecke unseren Balkon. Gegenüber liegt ein kleiner Garten mit hohen Bäumen. Dort pulsiert schon das Leben. Beos, Ibise und mir unbekannte Vögel streiten um die besten Plätze. Sogar ein Squirell, so etwas wie ein hiesiges Eichhörnchen lässt sich blicken. In diesem Moment bedauere ich, dass das Fernglas nicht mehr in den Koffer gepasst hat. Um 8 steht das Frühstück vor der Tür. Die gestrigen Instantsuppen waren nur der späten Ankunftszeit geschuldet. Es gibt frisch zubereitetes Essen. Zu unserer großen Freude Thai-Essen. Keine labbrigen Brötchen, keine Marmelade, sondern Bologna-Salat, Jasminreis und Knoblauch-Hähnchen. Dazu Melone, Papaya und Ananas. So kann der Tag beginnen. Und natürlich mit einem gemeinsamen Blick auf Bangkok.
Nochmal zum besseren Verständnis. Jeder, egal ob Thai oder Ausländer, ob reich, ob arm, muss sofort nach der Ankunft in Thailand in die staatliche Quarantäne. 14 Tage mindestens. Diese wird strengstens überwacht. Es finden in dieser Zeit zwei Corona-Tests statt und wenn alles okay ist, darf man raus und sich frei bewegen. Auch aufgrund dieser Regelung hat Thailand seit 15. Mai (!) keine Inlandsfälle mehr. Und gilt in punkto Seuchenbekämpfung als das beste Land weltweit. Neben der staatlichen Quarantäne gibt es für Ausländer wie uns und zahlungskräftige Thais auch die ASQ (alternative state quarantine). In der wir uns gerade befinden.
Bereits bei der Ankunft bekam jeder von uns ein Fieberthermometer und einen Smartphonelink via Line (das WhatsApp Südostasiens). Dieser führt zu einem Dokument auf Google Docs. Täglich um 10 und um 20 Uhr müssen wir darin unsere Temperatur eintragen und eventuelle Symptome melden. Eine geniale Lösung. In Deutschland hätte man sicher A4-Blätter händisch ausfüllen und faxen müssen.
Überhaupt Digitalisierung. Wir können ebenfalls per Line bei einem angeschlossenen Cafe und einem Restaurant bestellen. Die Speisekarten gibt es per QR-Code. Müssen wir natürlich gleich probieren. Klappt hervorragend. Zum erneut sehr guten Mittagessen schlürfen wir zwei Iced Matcha Latte. Und eh wir uns versehen ist schon Zeit fürs Abendbrot und zum Schlafen. Aber vorher noch die Essensbestellung für den übernächsten Tag aufgeben. Drei Varianten pro Mahlzeit: Thai, Western und vegetarisch. Es wird sechsmal Thai.
Tag 2
Der Jetlag hat uns voll im Griff. Wach in der Nacht. Müde am Tag. Aber was soll's, wir haben erstmals seit Wochen keine Termine und nichts zu erledigen und müssen uns um nichts kümmern. Auch das kann allerdings schwer fallen. Die gestrige Nacht habe ich dazu genutzt, heraus zu bekommen, wie man hier die europäische Champions League verfolgen kann. Auf legalem Wege. Nach dem Durchforsten und Übersetzenlassen mehrerer Thaiseiten hatte ich es heraus. DAZN überträgt hier die Champions League. Frei empfangbar auf YouTube. Mit englischem Kommentar. Also nichts wie in die Stube und Probieren. Leider, um mit anzusehen, wie die unsympathische Scheichband aus Paris in den letzten Sekunden das wackere Bergamo bezwingt. Schnell wieder ins Bett. Gibt gleich Frühstück.
Mit Essen, Lesen, Schlafen, Fernsehen, Faulenzen und Internetsurfen lässt sich so ein Tag auch sehr gut herumbringen. Gelernt ist eben gelernt. So eine Fähigkeit bekommt man nicht geschenkt, die muss man sich hart erarbeiten.
Heute auch noch rausbekommen, dass wir im Supermarkt bestellen dürfen. Der die Waren ein, zwei Stunden später gegen 2,50 Euro Aufpreis im Hotel abliefert. Natürlich funktioniert der Bestellvorgang problemlos über eine App oder den Browser. Bier geht leider nicht, da alles kontrolliert wird. Ich hatte schon erwähnt, dass während der Quarantäne Alkoholverbot herrscht? Nein? Isso! Auch im Flieger gab es keinen Schluck. Naja, dann halt morgen Kokoswasser zum Champions-League-Kracher.
Für Amelia wurde heute ein Paket der Schule abgegeben. Eine kleine Geste, die wieder einmal zeigt, wie sehr sich die Schule um die zukünftigen Lehrer, mit ihr sind noch vier hier, kümmert.
Tag 3
Heute steht der erste Corona-Test an. Auf dem Parkdeck. Krankenschwestern und Pfleger mit Vollschutzkleidung holen uns ab und bringen uns zum Ort des Geschehens. Dort warten wir mit einer Familie darauf, getestet zu werden. Auf Plastikstühlen weit voneinander entfernt.
E bissel Angst hab ich schon, als ich sehe, dass neben dem Rachen- auch ein Nasenabstrich gemacht wird. Aber am Ende ist alles easy peacy. Zurück auf dem Zimmer bewundern wir vom Balkon den Wolkenbruch über Bangkok.
Tag 4
Ich kann es selbst noch gar nicht glauben, als ich aufwache. Habe ich heute geträumt, oder hat der FC Bayern wirklich 8:2 gegen den FC Barcelona gewonnen? Nein, ich habe es ja selbst gesehen. Kurz darüber nachgedacht, es mir erst Re-Live heute früh anzuschauen, aber im Endeffekt alles richtig gemacht.
Mittag kommen die Testresultate. Beide negativ. Uff. Etwas Restangst war doch da, vor allem wegen den katastrophalen Zuständen am Frankfurter Flughafen. Egal. Wie uns versprochen wurde, dürfen wir, während unsere Zimmer von der Reinigungsbrigade aus "Outbreak" gesäubert werden, zum Pool. Wie versprochen. Zum Pool hatten sie gesagt. Nicht "in". Lost in Translation. Wir warten also in der Poolarea, bis wir zurück ins Zimmer dürfen. Neben dem verlockenden Wasser. Aber vielleicht falle ich ja auch unabsichtlich rein.
Zurück auf dem Zimmer gibt's Abendbrot. Da wir heute noch nicht einmal die Mittagsportion angerührt haben, mixen wir wild zwei Gerichte. Naja, eigentlich mindestens sechs. Aber so is(s)t man hier. Und uns gefällt genau das.
Während Amelia im anderen Zimmer schon online Thai lernt und mittlerweile drei der 44 Konsonanten schreiben kann, kümmere ich mich um den Blog. Aber den Rückstand hole ich auf. Versprochen! Morgen. Oder übermorgen. Oder nächste Woche. Ich lass es Euch wissen.
hi, toller Anfang, freu mich auf weitere Berichte.
AntwortenLöschennur das mit dem 0 Inlandsfällen stimmt das?
Laut Google sind es nicht viele, aber alle paar Tage mal +7 +35 + 20 usw. Oder wie meinst du das mit den 0 Inlandsfällen?
Viel Erfolg, Spass und vor allem guten Hunger noch ;)
Dankeschön. Bei diesen Fällen handelt es sich allesamt um gerade mit Repatriierungsflug Eingereiste, die während der Quarantäne getestet wurden.
LöschenIch wünsche euch Beiden eine (trotz der widrigen Umstände) angenehme Zeit in der Quarantäne und ALLES GUTE für euer weiteres Leben in THAILAND... Haltet mich/uns auf dem Laufenden wie es Euch so ergangen ist. Liebe Grüße vom BODENSEE...
AntwortenLöschenDankeschön. Liebe Grüße zurück.
LöschenSchön geschrieben - ich freue mich auf mehr von euch. Wie gerne wäre ich jetzt auch in Thailand - ich würde auch die Quarantäne mitmachen. Aber "normale" Touris dürfen ja leider noch nicht einreisen
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