Die Quarantäne (2/3) - 80 Quadratmeter Bangkok - Tag 5 bis 9

Es zieht sich

"Ich beginne, Hühnerknochen zu sammeln. Für den Fall, dass die nächste Person, die an der Zimmertür klopft, die böse Hexe aus Hänsel und Gretel ist. Die, die kommt, um festzustellen, ob ich schon fett genug für den Ofen bin. Die Knochen verstecke ich in einer alten Essensbox auf dem Balkon. Dabei fällt mein Blick auf die Squirrels vom gegenüberliegenden Baum. Diese hinterlistigen Viecher. Einen auf niedlich machen, aber es faustdick hinter den Ohren haben. Immer, wenn ich sie sehe,tun sie so, als machen sie ganz normale Squirreldinge wie von Ast-zu-Ast-Hüpfen und Futtersammeln. Dabei sehe ich für einen kurzen Moment ganz genau, wie sie mich fixieren. Ich weiß, dass sie etwas planen. Der Balkon ist somit auch nicht mehr sicher. Ich hoffe, die Scheiben schützen mich. Aber wer weiß. Ich schleiche zurück in den abgedunkelten Raum, in den immer abgedunkelten Raum. Und verstecke mich bei laufendem Wasser im Schrank. Noch 5 Tage... Dann holen sie mich hier raus. Wenn sie mich nicht vergessen haben."

So oder so ähnlich würde es mir wohl gehen, wenn ich hier alleine im Hotelzimmer wäre. Zum Glück sind wir zu zweit. Und wir kennen solche Situationen wenigstens ansatzweise. Als wir mit einem Wohnwagen vier Wochen durch Australien tourten, war das Setting auch nicht ohne. Wie sagt doch der Serienkiller Mick Taylor aus "Wolf Creek" über Paare im Camper? "Give them two weeks and they will kill themselves." Wir haben es überlebt. Und wir schaffen es dank unendlicher Langmut und Geduld und vor allem dank einer Tür zwischen Wohn- und Schlafbereich auch hier. Bezogen auf die Quarantäne ziehe ich den Hut vor allen, die die Zeit allein oder mit Kindern meistern müssen.


Essen, Essen, Essen

Zwei Wochen Quarantäne sind schon eine heftige Ansage. Nervenaufreibend und ermüdend zugleich. Es passiert nicht viel und das, was passiert, wiederholt sich ständig. Anfangs waren die wirklich ausgezeichneten Mahlzeiten noch so etwas wie Anker im ruhig vor sich hin dümpelnden Meer der grauen Gleichheit. Doch selbst das zieht nicht mehr. Irgendwann kommen wir mit Essen nicht mehr nach und pfeifen auf die aufgezwungene Struktur. Wir canceln Mahlzeiten, legen zwei zusammen, horten Essen, um es nicht der Verschwendung anheim fallen zu lassen. Und werfen es dann schweren Herzens doch weg. 


Es ist uns unmöglich, auch nur ansatzweise, alles zu essen. Allerdings scheint es nicht allen so zu gehen. Auch in punkto Zufriedenheit mit der Quantität und der Qualität der Mahlzeiten. An Tag 6 wurde unsere ohnehin schon reichlich bemessene Reisportion verdoppelt. Und es wurde, wohl auch wegen Beschwerden einiger Gäste, eine vierte Frühstücksversion eingeführt: American Breakfast. Diese ist äußerst abwechslungsreich: Mal gibt es Rührei, Schinken und Wurst, mal Schinken, Rührei und Wurst. Mal auch Rührei ohne Schinken. Dafür dann mehr Wurst.

Natürlich war die Aufregung bei uns groß, als wir DAS in unseren Frühstücksboxen vorfanden. Ich glaube ja, die Caterer wollten uns damit einen Gefallen tun. Nach kurzer Intervention brachten sie uns dann doch unser heißgeliebtes Thaifood. Im normalen Leben nur eine Randnotiz. Hier der größte Aufreger der vergangenen Tage. Wie gut es uns doch geht, oder?

Allerdings muss ich das Maßband schon straffer um meinen Bauch ziehen, um auf den gewünschten Umfang zu kommen. Während Amelia täglich Fitnesskurse auf YouTube absolviert, bleiben mir nur die Liegestütze. Was nützt es aber, dass ich mittlerweile 200 pro Tag absolviere, wenn das Cardiotraining fehlt? Momentan würde ich für einen Ausflug mit dem Mountainbike in die Natur Einiges tun. Von Mitte März bis Anfang August waren wir mehr als 2000 Kilometer mit dem Rad unterwegs. Und jetzt seit einer Ewigkeit von zwei Wochen gar nicht mehr. Fast genauso wie die Fahrten an sich fehlen mir die ein bis zwei *zwinkersmiley* Weizenbiere danach.


Wir lernen Thai

So. Schluss jetzt mit dem elenden Rumgejammer. Es hat auch alles seine guten Seiten. Auch die Quarantäne. Nach langer Recherche ist Amelia auf einen Onlinesprachkurs Deutsch-Thai gestoßen. Probelektion absolviert und restlos begeistert gewesen von Aufbau, Struktur und Didaktik des Kurses. https://www.thailernen.net/?go=83

Abonnement abgeschlossen. So sitzen wir jetzt jeden Vormittag und malen brav Buchstaben nach, versuchen die richtige Betonung zu treffen und pauken die ersten Vokabeln. Und es macht mächtig Spaß. Nun heißt es dranbleiben. Denn, so glauben wir beide, wenn man in einem Land für längere Zeit lebt, sollte man sich gefälligst auch mit seiner Sprache auseinandersetzen. Wie weit uns dies tragen wird, wissen wir noch nicht, aber wir hoffen um einiges weiter als bei unserer ersten Station Ungarn. Wir werden sehen. Die Motivation ist auf jeden Fall da. 


Das Ende ist nah


Heute ist der letzte Donnerstag, den wir in der Quarantäne verbringen werden. Mit dem Ende in Sicht scheint die Energie zurückzukehren. Amelia bereitet sich hochmotiviert auf die Schule vor. Nimmt online an Konferenzen teil. Wir planen für die Zeit draußen. Was brauchen wir noch für unser neues Zuhause? Suchen im Netz nach Fortbewegungsmitteln. In der engeren Wahl sind Fahrräder und Elektroroller. Und nach der ersten Radtour gibt's dann sicher auch ein oder zwei Weizen. 
Noch bis nächsten Mittwoch sind wir hier. Danach kommt Teil 3 der Quarantänesaga. Ich geh jetzt erstmal auf den Balkon. Haben da nicht gerade wieder die Squirrels von gegenüber ihre Köpfe zusammengesteckt und mich gemustert?






Kommentare

  1. Man merkt an deiner Schreibe schon ein wenig, dass du Stephen King Fan bist 😜

    Cool - ihr lernt Thai auf Silko‘s Seite. Das kann ich absolut empfehlen - auch wenn ich leider erst mal die Segel gestrichen habe. Ich war dann doch nicht konsequent genug dabei.

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    1. Dankeschön. Fan ist zuviel gesagt. Eher begeisterter Leser. Wobei Wolf Creek nicht von ihm ist. Und Du betreibst einen Food Blog?

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  2. 😄 Lasst euch nicht verspeisen vom Killer-Squirrel! ...🤔 verstehen die Thai?🤔 LG

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